Art. 6a 

1.a Schlüsselfertige Baute, Verbindung von Kauf- und Werkvertrag

Bei Kaufverträgen über eine schlüsselfertige Baute oder Stockwerkeinheit und bei Kaufverträgen, die mit einem Werkvertrag so verbunden sind, dass eine schlüsselfertige Baute oder Stockwerkeinheit erworben wird, ist die Steuer auf dem Gesamtpreis (Landpreis und Werklohn) zu bemessen.

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Dieser Gesetzesartikel aus dem bernischen Gesetz betreffend die Handänderungssteuer (HG) vom 18.03.1992 führte gemäss der jüngsten Rechtsprechung zu Interpretationsschwierigkeiten in der praktischen Anwendung.

Kerngehalt dieser Bestimmung ist die sog. Zusammenrechnungspraxis, wonach für die Bemessung der Handänderungssteuer in gewissen Fallkonstellationen der Kaufpreis für das Bauland und der Werkpreis für die Baute zusammengerechnet werden. Die langjährige Praxis wendete diese Zusammenrechnung insbesondere beim Kauf von schlüsselfertigen Bauten an, wie es beim Erwerb von Stockwerkeigentum oder auch beim Erwerb einer Liegenschaft in einer Gesamtüberbauung der Fall ist.

Im genannten Urteil erfolgte eine etwas unglückliche Erweiterung der bisherigen Praxis.

Im Sachverhalt ging es um einen reinen Baulandkauf. Der Käufer hatte jedoch vor dem Kauf eine Projektstudie in Auftrag gegeben. Das Projekt gefiel und es wurde nach dem Baulandkauf ein entsprechendes Baugesuch eingereicht. Im Zeitpunkt der Verschreibung des Baulandes lag weder eine Baubewilligung vor, noch war ein Werkvertrag unterschrieben worden. Trotzdem erfolgte die Zusammenrechnung von Land- und Werkpreis, was zu einer deutlichen Verteuerung der Erwerbsnebenkosten führt (die Handänderungssteuer beläuft sich derzeit auf 1.8%).

Beim Baulandkauf ist es somit unerlässlich, sich intensiv mit den Abgabefolgen auseinanderzusetzen.

Gestützt auf einen parlamentarischen Vorstoss (Motion Haas) wurde der Regierungsrat aufgrund des in der Lehre massiv kritisierten Gerichtsurteil beauftragt, obgenannten Art. 6a HG zu ändern, mit dem Ziel, zur langjährigen früheren Praxis zurückzukehren.

Bis zum Inkrafttreten der Revision gilt im Kanton Bern weiterhin die bisher angewandte Praxis und nicht diejenige gemäss Entscheid des Bundesgerichts (letzteres prüfte den kantonalen Entscheid unter dem Aspekt der Willkür; die Handänderungssteuer im Besonderen ist eine kantonale Abgabe und dessen anders geartete Auslegung wäre von den kantonalen Instanzen grundsätzlich möglich bzw. sogar vorzuziehen gewesen).

Die Bestätigung der bisherigen Praxis und präzisierende Ausführungen zur aktuellen Praxis erfolgten kürzlich mit der Publikation eines „Merkblattes betreffend Veranlagungspraxis zu Art. 6a des Gesetzes betreffend die Handänderungssteuer (HG)“der Geschäftsleitung der kantonalen Grundbuchämter am 6. Mai 2019.

Darin sind die zentralen Kriterien für die Annahme des Kaufs einer schlüsselfertigen Baute sowie die im Rahmen der Selbstdeklaration der Handänderungssteuer einzureichenden Unterlagen für den Fall, dass der Erwerber lediglich auf dem Kaufpreis für das Bauland veranlagt werden möchte, aufgeführt.

https://www.jgk.be.ch/jgk/de/index/direktion/organisation/gba/aktuell.assetref/dam/documents/JGK/GBA/de/GBA_Merkblatt-Veranlagungspraxis-Artikel-6a-HG_de.pdf